Wärme
Fernwärme
Nachhaltigkeit

Beitrag erstellt am Montag, 9. September 2019 von Birger Lauersen

Fernwärme kann unsere nachhaltige Wärmeversorgung sichern

Vor einigen Wochen hatte ich das Vergnügen, bei einem Fernwärmeversorger in einer kleinen dänischen Stadt zu Gast zu sein. Anlass war der Besuch eines niederländischen Journalisten. Der Geschäftsführer hatte mich dazu eingeladen, um bei allgemeineren Fragen zu Fernwärme und -kälte innerhalb und außerhalb von Dänemark zu helfen.
Es machte Spaß, den Enthusiasmus des Journalisten für alles, was ihm auf unserem Rundgang gezeigt und erklärt wurde, zu beobachten – von der Muster-Trafostation über den gasbetriebenen KWK-Motor, die Gasheizkessel und den Pellets-Kessel bis zum Rauchgaskondensator und der Wärmepumpe. Er konnte seine Freude kaum verbergen, als wir zur Solarthermieanlage fuhren, die 20 - 25 % der Wärmenachfrage von den über 1.000 Haushalten in der Stadt deckt.
 
Es war ebenfalls eine Freude zu erleben, wie begeistert der Geschäftsführer war, dass der Fernwärmebetrieb problemlos funktioniert. Darunter mischte sich aber auch etwas Enttäuschung wegen der Unsicherheiten, mit denen sich das Unternehmen auf dem Weg zu vollständiger Nachhaltigkeit konfrontiert sieht. 
 
 
In neue Technologien zu investieren, ohne dabei alle Risiken und die gesamten ökonomischen Folgen für die Verbraucher zu kennen, ist eine schwierige Entscheidung. Nicht nur für den Geschäftsführer, sondern auch für den Vorstand in der Verbrauchergenossenschaft, die letztlich die Entscheidung treffen muss. 

Trotzdem muss das auf den niederländischen Journalisten wie ein Luxusproblem wirken. Was er sah, war eine kleine dänische Stadt, die bereits auf einem guten Weg in Richtung einer nachhaltigen Wärmeversorgung ist. Zudem gibt es eine Infrastruktur und ein flexibles Portfolio an Wärmequellen, von denen die meisten Städte in den Niederlanden nur träumen können. 

Es besteht Änderungsbedarf
Die Realität für die meisten Dörfer und Städte in Europa sieht so aus, dass sie von einer Wärmewirtschaft abhängig sind, in der die individuelle Nutzung von fossilem Gas dominiert. Diese Tatsache zu ändern, stellt eine große Herausforderung dar. Entsprechend suchen Länder und Städte offenbar nach Abkürzungen. Lässt sich das fossile Gas auf wundersame Weise komplett durch erneuerbares Gas ersetzen, sodass wir das grundlegende Modell beibehalten können? Das erscheint höchst unwahrscheinlich. Es muss zu einer tiefgreifenderen Änderung kommen. 

Diese Änderung basiert auf mehreren Lösungen. Die Versorgung mit Wärme (und Kälte) ist vor allem eine lokale Angelegenheit. Demzufolge geht es um lokale Bedingungen, Möglichkeiten und Hindernisse. Aktuelle und realistische Einschätzungen der Optionen weisen auf zweieinhalb, nicht im engeren Sinne konkurrierende Lösungen hin. Die „halbe“ Option betrifft die Energieeffizienz in Gebäuden, was den Bedarf um ungefähr 40 - 60 % reduzieren dürfte. Die zwei restlichen Versorgungsmöglichkeiten sind Fernwärme und -kälte (DHC) sowie Wärmepumpen (WP). Ich sehe keine anderen Optionen, als optimierte Bestandsgebäude mit erneuerbarer Wärme- und Kälteenergie per Fernwärme und -strom zu versorgen.

Soweit es um das dichtbesiedelte städtische Umfeld geht, scheint DHC die einzige Möglichkeit. Dies wird auch zunehmend von europäischen Städten erkannt – eine tröstliche Tatsache für die DHC-Community in Europa. Weniger tröstlich ist der Umstand, dass der Ausbau von DHC im städtischen Bereich eine Herausforderung ist, die weit über das hinausgeht, womit die eingangs erwähnte Stadt konfrontiert ist. Die Erwartung ist hoch. Nicht nur, dass DHC von Anfang an die perfekt nachhaltige Lösung liefern soll. Das Ganze soll auch möglichst keine unerwünschten Nebenwirkungen haben, für Bevölkerungsgruppen mit begrenztem Einkommen erschwinglich sowie für den an individuelle Wahlmöglichkeiten gewöhnten modernen Verbraucher attraktiv sein. 


„Es wird keine nachhaltige Zukunft ohne eine nachhaltige Wärme- und Kälteversorgung geben. Und es wird keine nachhaltige Wärme- und Kälteversorgung ohne Fernwärme und -kälte geben.“

..Birger Lauersen

Fernwärme und -kälte kann für Dekarbonisierung sorgen
Es ist etwas viel verlangt sowie unrealistisch - und unvernünftig -, zu erwarten, dass sich mit DHC all das ohne besonders günstige Umstände erreichen lässt. Doch günstige Bedingungen können durch politischen Willen und Intervention geschaffen werden.

Und dieses entschlossene Handeln ist notwendig. Die Herausforderung des Klimawandels wird immer dringlicher. Zudem muss die Kluft zwischen politischen Absichtserklärungen und echtem Fortschritt, die Herausforderung anzunehmen, verkleinert und geschlossen werden. Das neu gewählte Europäische Parlament und die neu ernannte EU-Kommission haben ihre Absicht erklärt, die Klimaschutzziele zu verschärfen, und Initiativen in Aussicht gestellt. Sie sollten den Stimmen aus den Städten genau zuhören, um sicherzustellen, dass die europäische Politik mit lokalen Anforderungen und Gegebenheiten kompatibel ist. Darüber hinaus sollten sie die Dekarbonisierung der Wärme- und Kälteversorgung mit oberster Priorität behandeln.

DHC ist eine bewährte Technologie, die einen sehr wesentlichen Beitrag zur Dekarbonisierung des Wärme- und Kältesektors leisten kann. Außerdem kann sie auch die gestiegenen Beiträge zur Dekarbonisierung von anderen Sektoren durch Integration erleichtern. Diese Fakten stellen eine riesige Chance für den europäischen DHC-Sektor dar. Um diese Chance zu ergreifen, muss die DHC-Branche die komplette Dekarbonisierung ihrer Netzwerke verfolgen, ständig neue Ideen entwickeln und sicherstellen, dass sie permanent auf ihre Kunden hört und deren Bedürfnisse erfüllt. Doch vor allem muss der DHC-Sektor wachsen! Es wird keine nachhaltige Zukunft ohne eine nachhaltige Wärme- und Kälteversorgung geben. Und es wird keine nachhaltige Wärme- und Kälteversorgung ohne Fernwärme und -kälte geben.

Birger Lauersen gehört dem Verband der dänischen Fernwärmewerke an. Zu seinen Hauptaufgaben gehört es, das politische Interesse für Fernwärme zu stärken. Die Kontaktdaten von Birger Lauersen finden Sie hier. Mehr Informationen zum Verband der dänischen Fernwärmewerke finden Sie auf dessen Website


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