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LoRaWAN

Im Trio zum Erfolg

Gemeinsam zu mehr Sicherheit – der digitale Wasserzähler mit Datenübertragung nach einem der höchsten Sicherheitsstandards mit TLS-Verschlüsselung über LoRaWAN

GELSENWASSER AG, Deutschland

Als einer der größten Wasserversorger in Deutschland geht die GELSENWASSER AG in der Wasserversorgung mit der Digitalisierung voran. Die Brisanz hinsichtlich Klimawandel sowie die von der Bundesregierung im Frühjahr 2023 beschlossene Nationale Wasserstrategie schärfen die Notwendigkeit und erweitern das Bewusstsein für die Ressource Wasser. Ein Puzzleteil, um das wertvolle Gut Wasser besser zu managen, ist der digitale Wasserzähler. Damit ausgestattet, ist es für ein Versorgungsunternehmen möglich, die Zählerablesung per Funk durchzuführen, den Haushalten mehr Verbrauchsdaten zur Verfügung zu stellen und in einem zweiten Schritt sogar Leckagen zu erkennen und die Verteilnetzintegrität zu schützen. Elektronische Wasserzähler sind längst nicht mehr aus der Wasserversorgung weg zu denken. Was bisher fehlte, ist eine integrierte Funktechnologie, die in kurzen Übertragungsintervallen den hohen Anforderungen in Sachen Datenschutz und Datensicherheit gerecht wird.

Gelsenwasser versorgt über sein rund 8.300 km langes Rohrnetz die Haushalte mit qualitativ einwandfreiem Trinkwasser. Der Wasserzähler ist das meistverwendete IoT-Gerät in der Trinkwasserversorgung der Zukunft. Bei einem Pitch suchte Gelsenwasser im Jahr 2016 junge Gründer mit interessanten Ideen. Dort wurde das Versorgungsunternehmen auf das damalige Start-Up-Unternehmen PHYSEC GmbH aufmerksam. Bereits da hat PHYSEC gezeigt, wie man IoT-Anwendungen IT-sicher machen kann.

Rasch erkannte man das Potenzial der auf dem Markt relativ jungen LoRaWAN-Technologie für Versorger und Kommunen als kosteneffiziente und energiesparende Möglichkeit, drahtlose Netzwerke aufzubauen. Durch ihre hohe Reichweite und die Fähigkeit, Daten über große Entfernungen zu übertragen, ermöglicht LoRaWAN eine zuverlässige Überwachung und Steuerung von Infrastrukturen wie Wasser- und Energieversorgung sowie die Implementierung von Smart City-Lösungen.

PHYSEC kombiniert die Vorteile des Funknetzes LoRaWAN und die für Internet-Kommunikation vorgesehene TLS-Verschlüsselung – das ermöglicht eine BSI-konforme bidirektionale Datenübertragung per Funk und Internet (LoRaWAN Weitverkehrsnetz) mit Ende-zu-Ende Sicherheitstechnologie vom Endkunden bis zu Gelsenwasser. Wie die im Strombereich über SMGW (Smart-Meter-Gateway) vom BSI vorgeschriebene TLS-Lösung, ist damit auch der Einsatz von LoRaWAN für Wasserversorgungsunternehmen unter Einhaltung aller Sicherheitsstandards hinsichtlich Datensicherheit und Datenschutz vollumfänglich erfüllt.

Gelsenwasser, Kamstrup and Physec logo

Dreifache Expertise

Um das Projekt eines LoRaWAN-TLS-Zählers umzusetzen, fehlte neben einem IT-Sicherheitsexperten noch ein Zählerhersteller. An dieser Stelle kam Kamstrup ins Spiel. Wichtig war es Gelsenwasser, dass der dritte Partner im Bunde auch die Relevanz erkennt und einen Fokus auf IT-Sicherheitsthemen hat. Bei einem Projekt solcher Dimension gibt es immer viele Entscheidungsfaktoren. Kamstrup verfügte über das Verständnis und erkannte, dass LoRaWAN-TLS in Deutschland ein wichtiger Kommunikationsstandard in der Wasserwirtschaft werden kann.

Speziell ist die Konstellation aus Versorgungsunternehmen, Sicherheitsexperten und Zählerlösungsanbieter. Bei einem Projekt dieser Größe ist das Zusammenspiel aller handelnden Personen von großer Bedeutung für den Erfolg. „Im Laufe der Zusammenarbeit ist das Verständnis füreinander gewachsen“, stellt Janis Halbach, Fachbereichsleiter Energieautomation und Messtechnik, GELSENWASSER AG, fest.

Auch Dr. Heiko Koepke, Geschäftsführer & Co-Founder, PHYSEC GmbH, hebt die Besonderheit der interdisziplinären Kooperation hervor. Durch die unterschiedlichen Ausrichtungen profitieren alle Parteien von neuen Perspektiven und einer ganzheitlichen Sichtweise: „Gemeinsam kann die beste Lösung für den Markt entwickelt werden.”

Gelsenwasser, Kamstrup and Physec logo
„Aus der Partnerschaft mit Gelsenwasser und PHYSEC entsteht Innovation. Durch das gebündelte Know-how von drei Unternehmen mit unterschiedlichen Expertisen ist der Stand der Technik für fernablesbare Wasserzähler über ein Weitverkehrsnetz (WAN) in Deutschland etabliert worden, der die Schutzprofile und technische Richtlinien vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) einhält und bereits von Landesdatenschutzbehörden authentifiziert wurde. Die Datenübertragung mit einer TLS-Verschlüsselung erfolgt über LoRaWAN“, spricht Ingo Hundhausen, Country Manager DE & AT, Kamstrup A/S Deutschland, aus seiner Perspektive.

“Mit unserer LoRaWAN-TLS-Lösung erfüllen wir die hohen Standards für die Digitalisierung kritischer Infrastrukturen und sind der Zeit schon ein Stück voraus.“

Janis Halbach, Fachbereichsleiter Energieautomation und Messtechnik, GELSENWASSER AG

Sicher ist sicher – keine Lücke für Cyberangriffe

„Es ist sehr wichtig, dass große Unternehmen, die das Know-how und die Kapazität haben, hinsichtlich Digitalisierung vorangehen“, sagt Halbach.

Im Zuge der Digitalisierung werden die Themen Datensicherheit und Datenschutz in Zukunft immer mehr Relevanz finden, davon ist Koepke überzeugt. So interessant LoRaWAN für Wasserversorger ist, da auf die bestehende Infrastruktur zurückgegriffen werden kann, so können die Daten im Internet von Angreifern abgefangen und manipuliert werden. Dies gilt es zu verhindern und die Kundendaten bestmöglich zu schützen. Bei abrechnungsrelevanten Zählerdaten handelt es sich meist um persönliche Daten im Sinne der DS-GVO, welche besonders zu wahren sind. Basierend auf den Regulatorien, insbesondere in Deutschland sowie künftig auch in Europa, ist bereits vorhersehbar, dass Sicherheitsthemen noch weiter in den Fokus rücken. „Wir liefern heute bereits das, was ich in drei bis fünf Jahren als Standard in der IT-Sicherheit betrachte“, prognostiziert Koepke.

„Bei Betreibern Kritischer Infrastrukturen können erfolgreiche Angriffe auf die IT-Infrastruktur nicht nur zu Schäden beim Unternehmen selbst führen, sondern sie wirken sich auch auf die Versorgung der Bevölkerung mit kritischen Dienstleistungen und damit auf die Daseinsvorsorge aus.“ (IN: Die Lage der IT-Sicherheit in Deutschland, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, S. 58)

Für Gelsenwasser stand das Thema IT-Sicherheit immer schon im Mittelpunkt, dazu hat in den vergangenen Jahren das Thema Cybersicherheit enorm an Bedeutung gewonnen. Beispielsweise sieht auch die BSI-Kritis-Verordnung vor, den Stand der Technik einzusetzen – das bezieht sich auf alle Bereiche. Wichtig ist es Halbach, für die Zukunft vorbereitet zu sein. „Mit unserer LoRaWAN-TLS-Lösung erfüllen wir die hohen Standards für die Digitalisierung kritischer Infrastrukturen und sind der Zeit schon ein Stück voraus“, so der Experte.

Novum am Markt brachte auch Herausforderungen

Und was wäre solch ein großes Projekt ohne Herausforderungen. Man befasste sich mit einem Produkt, das es in dieser Form am Markt noch nicht gab und es war vollständige Eigeninitiative gefragt. Dazu gehörte das Erstellen von Umfragen, das Kontaktieren verschiedener Wasserversorger sowie auch Datenschutzbehörden. Dementsprechend ist viel Arbeit und Know-how in das Projekt geflossen.

Ein definiertes Ziel zu haben und frühzeitig in ein Zukunftsthema zu investieren, machte sich bezahlt. „Der LoRaWAN-TLS-Zähler ist ein Zukunftsprodukt. Während vor drei Jahren TLS wenig bekannt war, merkt man, dass das Thema heute immer mehr an Bekanntheit und Bedeutung gewinnt. PHYSEC war damals schon sehr weit in Sachen Cyber-Sicherheit und so etwas wie ein Vorreiter. Heute ist das Thema am Markt angekommen“, so Halbach.

“Wir liefern heute bereits das, was ich in drei bis fünf Jahren als Standard in der IT-Sicherheit betrachte.“

Heiko Koepke, Geschäftsführer & Co-Founder, PHYSEC GmbH

Aus out-of-date wird up-to date

Bisher zum Einsatz kamen beim Infrastrukturspezialisten aus Gelsenkirchen Mehrstrahlflügelradzähler, die sich durch ein robustes Messverfahren auszeichnen und von der Messgenauigkeit bis dato ausreichend waren, stellt Frank Stefanski, Gelsenwasser-Leiter Messtechnik, fest. Er geht davon aus, dass mit den digitalen Zählern aufgrund der geringeren Anlaufdurchflüsse, auch messtechnische Wasserverluste festgestellt werden können.

Stefanski hebt als wichtige Funktionalität des Ultraschall-Wasserzählers von Kamstrup hervor, dass dieser erkennt, ob ein LoRa-Netzwerk vorhanden ist und er sich auch bei einem nachträglichen Aufbau automatisch damit verbindet. Für den Vollblut-Techniker war es ein Erfolgserlebnis, als die ersten 50 Zähler Mitte des Jahres 2021 auch erreichbar waren.

Derzeit wird der Zähler im sogenannten einfachen Modus verwendet, um „so wenig wie nötig und so sicher wie möglich“ die Verbrauchsdaten für die Abrechnung auszulesen. In einem erweiterten Modus profitieren die Endkunden von zahlreichen Vorteilen wie Leckageerkennung, beispielsweise bei Undichtigkeiten im Garten oder laufenden Toilettenspülungen.

Weckruf der Erde

Im Fokus für den Wasserversorger stehen der Ressourcenschutz und die Verfügbarkeit von Trinkwasser. Selbst wenn in Deutschland Wasser noch sehr günstig erhältlich ist und für viele Konsumenten ausreichend zur Verfügung zu sein scheint, gibt es in einigen Regionen Deutschlands in Hitzesommern bereits Engpässe.

Uwe Ritzer schildert in seinem Buch „Zwischen Dürre und Flut. Deutschland vor dem Wassernotstand“, dass laut Daten der amerikanisch-deutschen Satellitenmission Grace, Deutschland seit der Jahrtausendwende ca. 2,5 Mio. m³ Wasser – das entspricht der Wassermenge des Bodensees – verloren hat und dabei ist das trockene Jahr 2022 noch gar nicht miteingerechnet. Ritzer appelliert, die Wasserversorgung in Zukunft aktiv zu managen.

Um auch künftig ausreichend Trinkwasser zur Verfügung zu haben, ist es sinnvoll zu wissen, wo und an welchen Stellen Wasser gezapft wird, wo sich unentdeckte Leckagen befinden und wo die Leitungen zu groß oder zu klein dimensioniert sind. Dazu benötigt der Wasserversorger Transparenz über sein Netz und Funktionen des digitalen Wasserzählers wie Temperaturerkennung, max. Tagesdurchflüsse, Leckageerkennung. Diese Daten sind für den Versorger wie auch den Verbraucher wichtig.

Über das Projekt:

  • Kompetenz durch Kooperation durch Wasserversorger, IT-Sicherheits- und Zählerlösungsexperten
  • Wasserzähler mit Datenübertragung nach einem der höchsten Sicherheitsstandards mit TLS-Verschlüsselung über LoRaWAN
  • Rund 28.000 verbaute Zähler (Stand: Dezember 2023)
  • Rollout weiterer 180.000 Zähler bis 2028

Pilotprojekt Leckageerkennung in Verteilnetz

Besonders interessant wird es für ein Versorgungsunternehmen, wenn ein Zähler Leckagen in Hausanschlüssen sowie in Hausanschluss- und Versorgungsleitungen erkennen kann. Der LoRaWAN-TLS-Zähler ist mit dieser akustischen Leckagedetektion ausgestattet, die in einem Pilotgebiet in Gelsenkirchen getestet werden soll. Das Testgebiet umfasst ca. 400 Anschlüsse. Halbach erwartet durch die von Kamstrup patentierte ALD-Technologie eine vereinfachte Suche nach Leckagen, anstatt das Netz wie bisher regelmäßig manuell abzuhorchen. Dänische Wasserversorger haben mithilfe der akustischen Leckagedetektion bereits zahlreiche Lecks frühzeitig beheben können und das als Aussicht wäre für Halbach mehr als zufriedenstellend.

Zukunftsperspektiven

Derzeit (Stand Dezember 2023) sind 28.000 Zähler verbaut. Nach einer Übergangsphase sollen die Zähler ab 2024 automatisiert ausgelesen werden.

In den nächsten Jahren bis Ende 2028 werden ca. 180.000 Wasserzähler im Zuge des Turnus-Wechsels auf die LoRaWAN-Technologie umgerüstet.

Als nächstes Ziel wünscht sich Stefanski, das Qualifikationsverfahren zur Stichprobenprüfung von elektronischen Elektrizitäts-, Gas-. Wasser-, Wärme und Kältemessgeräten positiv abzuschließen, um künftig mit einem vereinfachten Stichprobenverfahren die Eichfrist idealerweise direkt um sechs Jahre verlängern zu können.

Die Auslesung der Zähler via LoRaWAN erfordert zudem ein Datenkonzept, mit dem die rasant steigende Kommunikation und Datenmenge sinnvoll genutzt und aufgearbeitet werden kann. Im erweiterten Modus des Zählers stünden dann tägliche Verbrauchsdaten zur Verfügung, was einerseits eine hohe Transparenz gegenüber den Endkunden fördert und andererseits die hydraulische Genauigkeit von Netzberechnungsmodellen für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Verteilungsnetze erhöht.

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